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Benjamin Holtz: Zum Stand der Energiewende!

Auf dem diesjährigen Kongress des FVEE wurde ein Überblick über den aktuellen Entwicklungsstand und die Perspektiven auf Technologien gegeben, die für die nationale Energiewende von entscheidender Bedeutung sind. Vertreten waren neben den einschlägigen Bundesministerien (BMWi, BMBF, BMUB und BMEL) auch alle namhaften, deutschen Forschungsinstitute (DLR, Fraunhofer, Jülich, GFZ, etc.)

Energiesubstitution

Entscheidend für den Erfolg der Energiewende ist es, fossile Energien mit solchen zu ersetzen, die keine (Erneuerbare Energien) oder wenig (z.B. Erdgas) Co² in die Atmosphäre emittieren. Die größte Notwendigkeit der Substitution stellt sich im Bereich der mechanischen Energie im Sektor Verkehr mit aktuell 175 Mio. t CO² in 2016, gefolgt von der Prozesswärme mit 130 Mio. t CO² in 2016 in der Industrie. Danach folgt die Raumwärme der privaten Haushalte mit 60 Mio. t CO², gefolgt von der mechanischen Energie in der Industrie mit 50 Mio. t in 2016.[1]

Angesichts der übergeordneten Bedeutung von mechanischer und thermischer Energie zur Reduzierung der Emissionen ist die bundesdeutsche Strategie aus meiner Sicht kritisch zu betrachten, in erster Linie auf die historisch seit den 80ern gewachsenen Produktion von grünem PV-Strom zu setzen. Vielmehr müsste versucht werden, das fossile Erdöl der kinetischen Energie (Autos, LKW und Flugzeug) mit synthetischen, umweltfreundlichen Kraftstoffen (s.u.) zu ersetzen. Hier, so zeigte die Konferenz deutlich, ist Deutschland im internationalen Vergleich hinterher. Auch bezweifle ich, dass genügend Strom erzeugt werden kann, um Gebäude z.B. über Wärmepumpen aufzuheizen. Zwar gelingt eine effiziente Umwandlung von Strom (Input) zu Wärme (Output) von 1:5 kWh. Jedoch benötigen diese Technologien z.B. einen hohen Platzbedarf für saisonale Speicherung von Umweltwärme, die in urbanen Räumen nicht vorhanden sind.

Dieser Erkenntnis entsprechend sieht der FVEE ähnliche (Forschnungs-)Defizite. So fehlen dringend benötigte Energiespeicher (elektrisch, mechanisch, thermisch, elektro-chemisch). Einen sektorübergreifenden Forschungsbedarf sieht die FVEE Gemeinschaft im Bereich der Energienachfrage (Energieeffizienz, Brenn- und Kraftstoffsubstitution). Ergänzt werden die Themen durch die weiterhin relevanten Fragen des Strom- und Wärmetransports inkl. der Energieverteilung insgesamt.

Querschnittsthemen (Regulatorischer Rahmen, Akzeptanz, Geschäftsmodelle, Digitalisierung) bilden - so mein Eindruck - nur Randthemen, obwohl ich gerade die Akzeptanz als elementares Issue für den Erfolg der Energiewende in Deutschland sehe. Aus meiner Sicht haben wir in erster Linie ein Akzeptanz- und Umsetzungsproblem bei den Bürgern des Landes. Nur sekundär sehe ich hier ein Technologieproblem. Dass dieses Problem in erster Linie durch einen passenden, regulatorischen Rahmen der Regierungen gelöst oder verschärft wird, ist in den letzten Jahren vor allem im deutschen Verkehrssektor deutlich geworden:

Angesichts der Emissionen von 175 Mio t CO² / Jahr im Verkehr ist das Versagen der Bundesregierung bzw. der Automobilindustrie unentschuldbar. Es wurden keinerlei Bemühungen spürbar, den Ausstoß von CO² zu reduzieren. Stattdessen stieg er sogar noch leicht an. Der Abgasskandal machte deutlich, dass Industrie und Wirtschaft sich darüber einigten, keinen Klimabeitrag zu leisten. Der Verkehrssektor fiel gemessen an den eingesparten Emissionen im Gebäudeskor weit zurück...

Die Elektromobilität kann aus meiner Sicht derzeit keinen Beitrag zur Senkung der Emissionen leisten, solange auf den Strom ein fossiler, Nicht-Erneuerbarer-Anteil pro kWh von 0,8 für die Stromproduktion aufgeschlagen wird (siehe Primärenergiefaktor). Dieser entsteht z.B. wegen der hohen Verstromung von Braunkohle in Deutschland. Heizöl und Erdgas haben im Vergleich einen „Klima-Strafaufschlag“ für die Produktion von derzeit 0,1/kWh. Zudem sind die bundesdeutschen Infrastrukturprobleme ein weiteres Problem, was die Substitution von Erdöl im Verkehr durch grünen Strom kurz- bis mittelfristig unwahrscheinlich macht...

Power-to-X (kurz: P2X)

Eine Lösungsmöglichkeit stellt P2X dar. Hier wird Elektrizität (power) in x-förmige Energieformen (Gas oder Kraftstoffe) umgewandelt. Aufgrund der vielseitigen Wandelbarkeit ist die Technologie sektorübergreifend im Verkehr, Gebäuden und der Industrie einsetzbar. Deshalb bezeichnet man sie auch als vielversprechende Technologie zur Sektorkopplung. Die Wandlung hat zwei entscheidende Vorteile: Erzeugungssspitzen von überschüssigem, grünem Strom durch Wind & Sonne können sinnvoll verwendet werden und müssen nicht mehr abgeregelt werden. Zudem kann das gewonnene Gas und die Kraftstoffe saisonal gespeichert und über weite Strecken transportiert werden.

Basistechnologie der P2X ist die Elektrolyse. Hier soll der Strom aus Wind und Sonne durch Abspaltung von Wasser in Wasserstoff und wenn nötig durch Zuführung von Kohlendioxid in Methan (Power-to-gas) oder Alkohol oder Ether (Power-to-Liquids / Kraftstoff) umgewandelt werden. Während Methan z.B. im (Gas-)Wärmenetz für Gebäude eingesetzt werden kann, können die Liquids der Subsitution von Kraftstoffen wie Benzin dienen. Ein Problem bei der Herstellung der P2X durch Elektrolyse ist dabei das bereits oben geschilderte: Jede kWh Strom ist derzeit in Deutschland zu fossil. Gleichzeitig verschlechtert sich die Ökobilanz der Elektrolyse durch einen Effizienzfaktor bei der Herstellung von X von ca. 1,0 (Output) zu 1,9 (Input).

Die Probleme in der Entwicklung der Infrastruktur zum Ausbau Erneuerbarer Energien könnte wie schon erwähnt durch P2X reduziert werden. So können die X-Energien über „Drop-in“ Effekte sukzessive in die Infrastruktur der Länder (z.B. über Wärmenetze und Gütertransporter) international transportiert werden. Dazu muss jedoch laut FVEE schnellstmöglich der ordungsrechtliche Rahmen geschaffen werden. Auch international könnten sich wichtige Skalierungseffekte durch Herstellung von X-Energien realisiert werden. So könnte der Handel mit Erneuerbaren Energien mittelbar beschleunigt werden, indem synthetische P2X Endkrodukte wie Wasserstoff oder Methanol schnell und unproblematisch auf bestehenden Handelsrouten von gasförmiger oder flüssiger Ware mittels Schiffen weltweit verkauft werden.

Ein großer Hinderungsgrund sind die geringe Produktreife durch zu hohe Herstellungkosten. So liegen die Preise bei Power-to-gas heute bei rund ca. 30 Cent / kWh. (Im Vergleich: Erdgas liegt aktuell bei ca. 5 Cent / kWh). Um in den Bereich wünschenswerter Zielkosten zu kommen müsste nach dem FVEE ein Upscaleing in Menge und Größe stattfinden. Zudem müsste eine Technologieoptimierung im Bereich der Prozessintensivierung, Reaktortechnologie und Fertigungstechnik stattfinden. Zudem sind fossile Energien immer noch viel zu billig, sodass P2X nicht konkurrenzfähig ist. Wie oben schon beschrieben ist es unabdingbar, dass eine Internalisierung externer Kosten des Klimawandels sofort durchgesetzt wird!

Um die notwendige Energiesubstitution in Deutschland bis 2030 von 100 GW fossiler Energien hin zu P2X zu realisieren, ist nach FVEE eine Zubaugeschwindigkeit pro Jahr erforderlich, die gemessen im Zeitraum zwischen 1990 und heute in etwa dem vierfachen der Kohlekraft (ca. 25 GW/Jahr) und mehr als dem doppelten der Photovoltaik bzw. Windkraft (jeweils 45 GW/Jahr) entspricht. Eine aus heutiger Sicht der Kosten- bzw. Technologieentwicklung sehr unrealistisch hohe Quote.

Eine andere Nutzung von Erneuerbarem Strom kann über Power-to-Heat erfolgen. Hier wird der überschüssige Strom z.B. aus dem Netz zur Erwärmung von Wasser zu Wasserdampf genutzt. Die gewonnene, thermische Energie wird dann für Nachtspeicher, Nah- oder Fernwärme oder Prozessdampf eingesetzt. Auf dem EUREF Campus, dem zuhause von Atum, kommt eine entsprechende Technologie bereits heute zum Einsatz.

Energieeffizienz

Die geplanten Maßnahmen von Energieeffizienz in privaten Haushalte sollen dazu führen, dass in Gebäuden die Endenergie von heute 550 TWh auf 220 TWh in 2050 sinkt. Der Primärenergiebedarf soll im gleichen Zeitraum um 80 % sinken. Dabei sollen die Gebäude nach FVEE überwiegend über Erneuerbare Energien vor Ort und grünem Strom aus dem Netz (z.B. Wärmepumpen) mit Wärme versorgt werden. Nur ergänzend soll die Wärme in 2050 über Fernwärmenetze transportiert werden. Eine Priorisierung von örtlicher Wärmeproduktion, die ich aufgrund der oben beschriebenen Raumdefizite in urbanen Zentren für sehr problematisch halte.

Doch wie schon vor 10 Jahren werden die Einsparziele von 330 TWh vor allem durch die schleppende, Energetische Gebäudesanierung verfehlt. War es vor 10 Jahren noch eine notwendige Sanierungsquote von 2 % und Jahr zur Erreichung der Klimaziele in 2050, steigt die Notwendigkeit heute schon auf nahezu 3%. Grund ist die sinkende (!) Sanierungsrate von damals 1,1% auf heute 0,9%. Dabei sollte man bedenken, dass die energetische Gebäudesanierung mit einer Wertschöpfung von voraussichtlich 34 Mrd. Euro pro Jahr nach FVEE durchaus wirtschaftliche Anreize schafft. Aber auch hier versagt aus meiner Sicht die Politik. Seit Jahren wird über Steuererleichterungen für die Energetische Gebäudesanierung gesprochen ohne dass etwas passiert. Verschärfend kommt hinzu, dass die Energiepreise für Wärme (Erdgas und Erdöl) seit Jahren fallen. Doch von der Politik wird nicht durch steigende Preise für CO² Zertifikate entgegen gesteuert! Dies sind unentschuldbare Versäumnisse, die ich auch durch Wortmeldung auf dem Kongress zum Ausdruck gebracht habe.

Verschärft wird die negative Entwicklung der CO² Einsparziele durch den steigenden Wohnflächenbedarf von 0,5 m² pro Jahr und Person. Zudem wird der Endenergiebedarf zusätzlich steigen, da die Gebäudekühlung aufgrund immer heißerer Sommertage unverzichtbar wird. So verdoppeln sich z.B. die Anzahl der heißen Tage mit Temperaturen über 30°C bis 2050 nahezu!

Einen Abschluss fand die Tagung durch einen Vortrag von Dr. Martin Keller vom NREL in den USA. Mit 1700 Mitarbeitern einer größten Forschungsinstitute der Welt im Bereich der globalen Energietransformation.

In den USA wird eine Tendenz zur Substitution von Kohle im Betrachtungszeitraum 2007 (22%) zu heute (14%) mit Erdgas (23% zu 30%) deutlich. Erneuerbare Energien stiegen im gleichen Zeitraum von 6% auf 10%. Trotz der Administration Trump gewinnen die Erneuerbaren Energien permanent in den USA an Bedeutung. Renewables seien „the new normals“. Forschungsschwerpunkte sieht er in der Integration von grünem Strom und E-Autos ins Netz. Auch der erneuerbare Kraftstoff muss in die Netzinfrastruktur integriert werden. Ergänzt werden diese Infrastrukturaufgaben durch Forschung zu Batterien und thermischen Energiespeichern.

Eine durchaus ähnliche Einschätzung Kellers also zu den Infrastruktur-Aufgaben der Zukunft vergleicht man sie mit denen deutscher Forscher auf dem FVEE. Abschließend deutete Keller daraufhin, dass seiner Meinung nach das wichtige CO² Ziel der Weltengemeinschaft in Paris zur maximalen, globalen Klimaerwärmung von 2° C nicht mehr zu erreichen sei. Eine These, die ich schon viele Jahre vertrete.

Die schnelle Überwindung dieser Probleme wird aus meiner Sicht sehr schwierig werden. Denn eines wurde mir auf der FVEE Konferenz deutlich: Kein noch so wundersamer, nachhaltiger, grüne Energieträger wird sich schnell in die komplexen Anforderungsprofile der Sektoren mit Ihren Leit-Energieformen (mechanisch, thermisch und kinetisch) umwandeln und in die Energie-Infrastruktur integrieren lassen. Zudem kommt die Energieeffizienz nicht voran. Fehlen tut es bei allem an einem von Willen getriebenen, überlegten, politischen Handlungsrahmen. Die Akzeptanz auf Nutzerseite für eine nachhaltige Gesellschaft lässt erheblich zu wünschen übrig! Die Gründe - gemessen an den katastrophalen Folgen eines Scheiterns der Energie- und CO²-Wende - sind für mich einer der größten Rätsel unserer Zeit.

Aufgrund des politischen Versagens machte es mich umso nachdenklicher, dass kein Redner mehr die selber auferlegten CO² Ziele der Bundesregierung (bis 2020 20 Prozent CO² Einsparung gegenüber dem Jahr 1990) überhaupt erwähnte. Stattdessen legte man sich bei der Prüfung der Energiewende-Performance einfach auf die Ziele 2030 und 2050 fest. Man verschwieg die unbequeme Tatsache, dass man sie beim "Weter so!" genauso verfehlen wird wie die von 2020...

Verantwortlichkeit sieht anders aus!

Danken möchte ich James Kurz und allen anderen Demonstraten der "Ende Gelände" Bewegung für Ihren wichtigen Einsatz für den Kohleausstieg. Unten ein Foto vom Ort der Demonstration an der Hambacher Kohlezeche. Das nahegelegene Kohlekraftwerk ist der größte, einzelne CO² Emittent in Europa!

Ihr

Benjamin Holtz

[1] AGEB Energiebilanzen 2016, BMWi Zahlen und Fakten 2016

Hambacher Kohlezeche
Ort der Demonstration 2017 "Ende Gelände" gegen Kohleenergie in Deutschland - © James Kurz

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