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Klima. Wandel Dich Politik.

Aufstand des Grünen Herzens!

Agora Energiewende

Gerade ist [hier] die Abschätzung der Klimabilanz 2021 von Deutschland durch die Agora erschienen. Die Ergebnisse kommen einem Offenbarungseid der politischen Klimaschutzstrategie Deutschlands gleich. Die Bundesregierung sollte sich eingestehen, dass ihre Klimaschutzpolitik der letzten Jahre gescheitert ist. Die Kurzfassung der Agora Klima-Bilanz lautet: "Im Jahr 2021 werden die Treibhausgasemissionen gegenüber dem Vorjahr voraussichtlich um rund 47 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ansteigen. Das ist der größte Anstieg seit 1990. Damit fällt Deutschland mit einer Minderung von 37 % wieder deutlich hinter das Klimaziel 2020 (minus 40 %) zurück." Alle Sektoren können Ihre Sektorenziele so nicht erreichen. Der Handlungsdruck steigt immer weiter!

Es erscheint mir ein passender Moment zu sein einen Brief hier zu veröffentlichen. Dieser ging im Juni an Bündnis 90 / Die Grünen und Ihre Parteivorsitzende und Kanzlerkandidatin, Frau Annalena Baerbock. Das Anschreiben lässt Zweifel daran erkennen, ob die kommende Bundesregierung im Falle einer Beteiligung der Grünen Partei eine passendere Antwort auf die Klimakrise finden wird als ihre mehr oder weniger verantwortungslos wirkende Vorgängerregierung. Hier meine Sicht auf die zentralen Probleme:

Klimawandel

Sehr geehrte Grüne Partei, sehr geehrte Frau Baerbock,

um es vorweg zu nehmen: Der ,Klimawandel' ist 1) keine Krise, die primär auf den enormen Klimagasausstoß zurückzuführen ist. Vielmehr ist sie ein Symptom einer Umwelt-Überlastungskrise, die durch den Konsum- und Mobilitätsstress des Menschen ausgelöst ist. Daraus abgeleitet komme ich zu 2), dass die ‚Energiewende‘ keine primär technische Transformation ist, sondern eine, die den vollständigen Wandel unseres Lebensstils umfasst. Den irrsinnigen Energiegehalt der fossilen Konsumkultur kann man in der anbrechenden Nachhaltigkeitskultur weder mit Energieeffizienz und Erneuerbaren Energien (EEEE) einfach ersetzen, noch ist er durch den enormen Ressourceneinsatz der Menschen von der Natur weiter verkraftbar.

Diese beiden Thesen habe ich in den letzten 15 Jahren entwickelt. Zentral in meiner Beschäftigung stand die Transformation von Gesellschaften, die durch einen Kommunikations- und Leitmedienwechsel wie derzeit durch die Verbreitung des Internet passier(t)en. Last but not least hat sich diese Überzeugung durch meine professionelle Tätigkeit als Gebäudeenergieberater und -planer in Berlin für Energieeffizienz und Erneuerbare Energien (EEEE) entwickelt. Aufgrund der deutlichen Umwelt-Überlastungserscheinungen kommt die Energiesuffizienz immer stärker mit hinzu [Blogartikel zur Suffizienz vom 06.05.2021]. Neben meiner Beratungstätigkeit zu den Themen schreibe ich diesen Blog zur technisch / wirtschaftlichen und kulturellen Transformation einer digitalen Gesellschaft und Wirtschaft von morgen.

CDU Klimaschutzprogramm

In diesen 15 Jahren sind mir immer mehr schwarz-graue Haare gewachsen. Es entstand Wut und Entsetzen darüber, dass wir sowohl gesellschaftlich (politisch und individuell) als auch ökonomisch den ökologischen Zusammenbrauch aufgrund der Umwelt-Überlastungskrise einfach in Kauf nehmen. Dieser steht unmittelbar bevor, daran besteht kein wissenschaftlich fundierter Zweifel. Die Jahresmitteltemperatur ist in Deutschland bereits bei +1,6° C angekommen. In Sibirien liegt sie schon bei über 3° C. Die Schnelligkeit mit der sich der Klimawandel vollzieht ist die einzige aktuelle Überraschung aus den letzten 15 Jahren Klimawissenschaften. Die 9 zentralen Kipppunkte unseres Ökosystems [hier} die über das IPPC von Hans Joachim Schellnhuber vorausgesagt wurden, sind schon gekippt oder sind im Begriff zu kippen.

Eine der zentralen Erkenntnisse daraus ist, dass wir in erster Linie umfassend UND vor allem schnell handeln und gegensteuern müssen. Wenn ich den letzten großen Polittalk [hier] vom BDEW am 16.06.2021 (auf Youtube hier) zugrunde lege, haben Sie den akuten Handlungsdruck Frau Baerbock nicht erkannt. Wie ist es sonst zu erklären, dass sie Herrn Lindner von der FDP nicht widersprechen als er davon faselt, dass wir in 2040 von der Lufthansa schon mit Wasserstoff betankte Inlandsflieger bekommen? Deshalb bräuchte man ja so Lindner weiter den Umstieg auf die Schiene der DB gar nicht. Stattdessen könne man ja ohne schlechtes Gewissen weiter innerdeutsch Fliegen. Inlandsflüge zu streichen sei also Unsinn. Es ist doch sonnenklar, dass die Erde bis dahin ökologisch längst außer Kontrolle geraten ist, bis die Lufthansa Ihr Kerosin mal gegen Wasserstoff ausgetauscht hat.

Annalena Baerbock

Warum weisen Sie nicht Herrn Laschet beim BDEW daraufhin, dass der angeblich von der CDU erfolgreich verhandelte Kohleausstieg Deutschland bis 2038 viel zu spät kommt? Warum sagen Sie ihm nicht, dass die Expertenkommission zum Kohleausstieg vorher zum Ergebnis kam, bereits 2030 aussteigen zu müssen? Es war maßgeblich die CDU, die sich einseitig gegen Experten aus Gesellschaft und Wirtschaft ausgesprochen hat. Eine katastrophale und verantwortungslose Entscheidung für die Klimaschutzbewegung. Eigentlich hätte es Ihnen nach dem vernichtenden Urteil des BVerfG [hier] gegen die Klimapolitik der Bundesregierung alle Chancen geben sollen zu argumentieren, dass weder der Wille noch die Erkenntnis der schnellen Veränderung bei Ihren politischen Gegnern da ist die Klimawende zu schaffen. Am Ende der Diskussion geraten Sie dann auch noch in die Bredouille, weil CDU, FDP und SPD Ihnen vorwarfen, dass einzig die Grüne Partei den Weg für schnellere Genehmigungsverfahren für drängende Klimaschutzprojekte wegen ihres ‚Frosch-Wanderungs-Beschützerinstinkts‘ blockieren würde. Dieser Auftritt Frau Baerbock war für mich ein totales Fiasko für Sie und Ihre Partei. Und leider nicht der einzige in dieser Form…

Problematisch ist aber in der Außendarstellung Ihrer Person, dass sie die Qualität der Diskussion nicht zu verändern verstehen. Sie und Ihre Partei kriegen es schlichtweg nicht hin, statt der lästigen Sprit-Kostensteigerungsdiskussion auf UMFASSENDE Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen zu schwenken. Nur so würde aus der Verbotspartei eine Fortschrittspartei mit wahrhaftig verantwortlich handelnden Politiker*Innen mit Weitsicht werden, die den KULTURELLEN Umstieg wirklich wollen und Kompetenz und Mut dazu beweisen. Das suchen doch die Bürger dieses Landes, kriegen das aber bei Ihnen so mein Eindruck nicht.

Robert Habeck

Warum sagen Sie um das zu widerlegen nicht, dass wir viel breiter auf unsere Umweltkrisen schauen müssen, wenn es um Klimaschutz geht? Warum sagen Sie nicht, dass durch zunehmende Waldbrände und Abholzungen der Wälder diese wichtigen CO2 Senken zu CO2 Quellen werden (siehe Amazonas Regenwald)? Wenn wir unsere Natur inkl. Ökosysteme nicht stärken, dann bringt auch die Reduzierung der Klimagase nichts. Warum verstehen Sie die naheliegende Konsequenz nicht, dass die VERBINDUNG von zentralen ökologischen Problemen (Zusammenbruch Biodiversität, Phosphatisierung der Böden, Tierunwohl, Überfischung und Vermüllung der Meere, etc.) Ihr Alleinstellungsmerkmal als Grüne Partei gegenüber der politischen Konkurrenz ist?

Mittlerweile haben wir doch alle demokratischen Parteien als Trittbrettfahrer mit im Boot, die alle was von Klimaschutz quasseln. Sie sind die einzigen, die unseren ökologischen Niedergang mit einem breiten, ganzheitlichen Programm abwenden könnten. Und das würde bei den Wähler*Innen ankommen. Das würde den Menschen das geben was sie heute brauchen: Führungsqualitäten in ein neues Zeitalter, das von einem nachhaltigen Lebensstil geprägt ist. Das ist die Vision, die sie kommunizieren müssen, die mir aber vollkommen fehlt. Sie dürfen den Mut der Menschen nicht unterschätzen, sich mit Ihnen zusammen auf den Weg in eine neue Welt zu machen. Ich kann Ihnen dazu aus meiner eigenen Berufspraxis berichten: Ich diskutiere auch Energiesuffizienz-Themen bei Kunden, die in Aktiengesellschaften organisiert sind. Sie hören mir mit Interesse zu, weil sie darauf vertrauen, dass ich das Thema der Nachhaltigkeit gut beherrsche und in der Lage bin langfristig tragbare Strategien (und nur so geht es heute!) zu entwerfen.

Es bringt nichts so zu tun, als ginge alles so weiter wie bisher. Im Moment tun sie aber genau das. Sie konkurrieren mit einer Partei wie der CDU, die es bestens versteht die Menschen am Ende (mehr schlecht als Recht / siehe Folien in der Mitte unserer Homepage [hier]) davon zu überzeugen, dass alles bleibt wie es ist. Dadurch geraten Sie in die Position, alte Probleme nicht überwinden zu können. Denn die Probleme die uns zerstören erzeugen die Konservativen in einer verbrauchten Gesellschaft und Wirtschaft aus einem Irr-Sinnigen Wohl-Stands-Glauben [Blogartikel vom 17.05.2021] aus sich selbst heraus. Ohne grundlegende Strukturveränderungen auf allen Ebenen in Verbindung mit einer neuen Lebens- und Lebendigkeitskultur wird die Energiewende als Kulturprojekt nicht gelingen. Tatsächlich gibt es bis auf ein wenig Ökostromzubau gar keine Energiewende. Seit Jahrzehnten verbraucht Deutschland in etwa die gleiche Menge Erdöl, die sich aktuell bei 320.000 Tonnen pro Tag einpendelt! Warum stellen Sie das nicht heraus? Warum stellen Sie nicht die eklatante Willens- und Strukturschwächen heraus, die sich zwischen dem was wir erreichen MÜSSEN und dem wo wir seit Jahren mit der CDU hintaumeln? Das ökonomische Verständnis der Partei inklusive Ihres Wirtschaftswahns ist untragbar geworden. Sie beruhen auf 4 falschen Funktionsprämissen von Geld, Macht, Zentralismus und Wachstum.

Klimaschutzprogramm 2030

Dadurch, dass die CDU auf den zentralistischen Machtstrukturen beharrt, ist eine Transformation mit ihr nicht möglich. Seit Jahren blockiert sie Bestrebungen, eine dezentrale Energiewende zuzulassen, in der die Bürger stärker teilnehmen können und müssen! Ohne die Bereitschaft der Politik das zu erreichen werden wir nie und nimmer den Zubau z.B. an PV (20 MW pro Jahr in 2029, heute 4,4) vollziehen, der notwendig ist. Solar auf allen deutschen Dächern ist mit der CDU nicht möglich. Auf diese Strukturschwäche der CDU und gleichzeitig der partizipativen Kraft der Grünen müssten Sie viel stärker eingehen.

Wenn wir die Welt entscheidend verändern und retten wollen, müssen wir Organisationen schaffen, die auf dezentralen und partizipativen (Macht-) Strukturen beruhen. Hier steht nicht das Private neben dem Öffentlichen, sondern das Gemeinsame im Zentrum. Die Energiewende ist ein Gemeinschaftsprodukt und steht nicht für mehr Bruttosozialprodukt durch Konzerne, die vom Club der privaten, neoliberalen Wirtschaftsweisen abgefeiert werden. Das ist die Konsequenz, wenn man die digitale Transformation durch eine partizipative Politik mit dem Thema ,Nachhaltigkeit` zu einer neuen Lebenskultur verbindet. Materielles Wachstum durch Ressourcenabbau kann es nur noch geben, wenn es wirklich dem Gemeinwohl dient und dabei nicht die vielfältigen Naturdienstleistungen zerstört, von denen unser gesamtes (Konsum-)Leben abhängt!

Mein Herz ist grün, auch wenn es nicht in erster Linie für Ihre Partei schlägt, sondern für die Lebewesen auf dieser Erde, die mir sehr am Herzen liegen und die ich bestmölgich schützen möchte vor dem Weiter So dieses politischen Irr-Sinns...

Ihr

Benjamin Holtz

Dieser Brief wurde von den Grünen und Frau Baerbock nicht beantwortet.

Unten die Agora Ergebnisse für 2021 noch einmal zum Download

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Kommentare

Kommentar von Saskia P. |

Ein aufrüttelnder offener Brief, der mir aus der Seele spricht... Sehr gut zusammengetragen!

Eine Antwort dazu von den Grünen und/oder Frau Baerbock wäre natürlich schön gewesen... eine Handlungsoffensive wäre mir sogar noch viel lieber!

Kommentar von Dr. Sylke Holtz |

Ja, die Kritik an Fr. Baerbock und einem Großteil dieser Partei teile ich. Man sollte aber zur Kenntnis nehmen, dass die Bösartigkeit und die Häme, mit der bereits das "mutlose" Programm der Grünen Partei kommentiert wurde und wird, nicht geeignet ist, neue, frische und kultur-ändernde Gedanken zu äußern, selbst wenn diese als notwendig erscheinen. Ich bezweifle mittlerweile, dass trotz offensichtlicher Notwendigkeit einer Kehrtwende die meisten Bürger am bisherigen System festhalten wollen auf Grund des über die Jahrzehnte hin "impantierten" egoistischen Verhaltens, Kaufens etc.
Eine Kultur der -inneren - Lebendigkeit -, wie hier vorgechlagen, bedeutet einen Quantensprung innerhalb von Gesellschaft und Wirtschaft. Viele, - so auch die Mehrzahl der Beamten, denken hauptsächlich an ihre "Pfründe".
Dennoch bin ich optimistisch. Irgendwie sagt mir mein Gefühl, dass der Wandel kommt. Vielleicht wird er uns aus Gründen, die wir jetzt noch nicht kennen, aufgezwungen? Trotz aller Unbill, die das mitsichbringen würde, wäre er zu begrüßen.

Kommentar von Christopher Seidel |

Super geschriebener und informativer Artikel :-). In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen

Kommentar von Barbara Holtz |

Danke, lieber Bruder, für diesen Artikel, der mich durch seine ehrlichen, klugen und treffenden Worte und Inhalte sehr berührt. Ich erlebe eine Traurigkeit darüber, wie viel wir Menschen bereits durch unseren wenig achtsamen, unbedachten und lieblosen Umgang mit unseren wundervollen Natur-Schätzen zerstört haben. Wie viele Tierarten wir schon ausgelöscht haben und jeden Tag immer weitere Lebewesen von uns vernichtet werden. Wie viele Meeresfische schon an unseren Platiktüten erstickt sind. Ich bin immer wieder deprimiert darüber, dass bisher nichts Wesentliches im Hinblick auf einen pfleglicheren, wertschätzenderen Umgang mit Unserer Erde geschieht. Die Zerstörung unserer existentiellen Basis ungebremst voran schreitet. Ich bin erschüttert darüber, dass seit jahrzehnten nur geredet wird, was passieren müsste, damit wir unseren Planeten in seiner Schönheit erhalten. Aber, getan wird fast nichts, was die Zerstörung unserer Erde durch uns Menschen abbremsen könnte. Ich fühle mich ohnmächtig in Anbetracht der Größe und Multidimensionalität dieser und unserer existentiellen Probleme. Leider werde ich auch immer hoffnungsloser, weil die denkbaren Wege heraus aus diesem existentiellen Drama mir abstrakt und allzu fern erscheinen. Wie geträumte Wunsch-Phantasien, von denen ich mir so dringend erhoffe, dass sie doch wahr werden wÜrden. Ich habe Bedenken, dass mir meine wachsende Mutlosigkeit und meine Angst vor unserer existentiellen Selbstzerstörung meine Kraft und Zuversicht nehmen. Die eine Voraussetzung dafür wären, um jeden Tag einen kleinen, konstruktiven Beitrag zum Schutz unserer lebendigen, vielfältigen und grünen Welt zu leisten. Wir brauchen nun Menschen, die trotz allem mit Mut, Kraft, Klugheit und Menschlichkeit uns einfache Alltagsmenschen aufrütteln, mitnehmen, aus unserem gewohnten Trott herausnehmen und anspornen, damit wir die dringend erforderlichen Schritte zum Wandel jetzt mitgehen. Wir brauchen nahbare Menschen in lenkenden Positionen, die die vielfältigen Lebensrealitäten kennen. Die uns fehlbare, bequeme und lustorientierte Menschen erreichen. Die uns den notwendigen Schwung geben, uns die Bedenken vor den erforderlichen Veränderungen nehmen. Mit uns gangbare Wege gehen. Damit unsere Erde, die Schöpfung in Ihrer Schönheit eine Chance auf ein Überleben hat.

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